Burnout und Prävention

Ein Gespräch über Burnout mit M.D. Caroline Diekmann

Wir haben uns mit Frau Caroline Diekmann über Burnout und Burnout Prävention unterhalten, und darüber, was für einen Effekt Mindful Business und Achtsamkeit auf diese Thematik haben kann.


Zuerst braucht es aber vielleicht eine Definition. Was ist Burnout eigentlich? Im ICD-11 findet man diese Diagnosekriterien:

  • Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt
    wurde
  • Gefühle der Energieerschöpfung oder Erschöpfung
  • Erhöhte geistige Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus (=
    Verweigerung) oder Zynismus (= Verachtung und Spott) in Bezug auf die Arbeit
  • Gefühl der Ineffektivität (= Ergebnislosigkeit) und des Mangels an Leistung
  • nur im beruflichen Zusammenhang, nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen

I: „Das Thema, das ich gerne mit Ihnen bereden würde, ist Burnout, bzw. Burnout und Mindful Business also Achtsamkeit, wie interagiert das miteinander? Dafür würde ich gerne erstmal ein bisschen über Burnout sprechen.“


M.D. Caroline Diekmann: „Burnout ist in den letzten Jahren sehr präsent als vermeintliche Diagnose, obwohl das ICD-10 das gar nicht kannte. Bisher wurde je nach Symptomen und deren Ausprägung eine Anpassungsstörung, Depression oder auch Angststörung diagnostiziert.“


I: „Und jetzt ist die neue Situation, dass es klar abgrenzbar von Anpassungsstörungen, Stresserkrankungen und so weiter ist? Kommt Burnout jetzt häufiger vor?


M.D. Caroline Diekmann: „Genau. Kommt es denn jetzt tatsächlich öfter vor, oder ist das eine verzerrte Wahrnehmung? Suchen dadurch, dass eine gewisse Entstigmatisierung entstanden ist, da auch einfach mehr Personen mit diesem Syndrom und diesen Symptomen tatsächlich Hilfe? Man kann noch nicht wirklich sagen, ob die Häufigkeit gestiegen ist oder nicht. Aber tatsächlich kann man sagen, dass doch ein erheblicher Anteil der
arbeitenden Bevölkerung im Laufe des Arbeitslebens mal davon betroffen ist.“


I: „Was ist für sie Mindful Business?


M.D. Caroline Diekmann: „Mindful Business ist die Kombination: Wie kann ich ein Arbeitsleben schaffen, bei dem sowohl in der Struktur, aber eben auch im Zwischenmenschlichen (Arbeit/ Beziehung) dann Achtsamkeit, das ist ja die Übersetzung, entsteht.

M.D. Caroline Diekmann:Es beginnt bei der Architektur: die Größe und Besetzung der Büroräume, Lärm, Licht, Grünflächen, Ruheräume, Pausenräume, all das. Dann die Tagesstruktur, es geht weiter über
Pausenregelungen, Urlaubsregelungen, Prävention im Sinne von Schulungen. Vor allem auch in der individuellen Perspektive eine Ausgewogenheit der Anforderungen, weder Überforderung noch Unterforderung. Beides kann zu einem Burnout führen. Vermeidung
von Multitasking.“


I: „Welche Methoden würden Sie vorschlagen, die besonders hilfreich sind, um Mindful Business zu integrieren?“


M.D. Caroline Diekmann: „Um Mindful Business auf individueller Ebene zu integrieren, wären erste Schritte aus meiner Sicht, einen Tagesplan zu implementieren. Sowohl einen, der eher alltäglich ist, als auch jeden Tag von neuem einen Tagesplan mit den jeweiligen Priorisierungen zu entwerfen. Das hilft dabei, achtsam zu sein damit, wie viel Zeit und Energie ich an dem Tag habe, und was meine Prioritäten sind. So kann man nach einer Weile auch besser erkennen, wann man am konzentriertesten ist, oder wann man eher Pausen braucht
oder sich am besten kreativen Aufgaben zuwendet.“


I: „Also quasi Routine, Rituale und den Tag dann auch einteilen. Nach Möglichkeit in Phasen, je nach Produktivität oder Kapazität. Gibt es eine durchschnittliche Zeit, bis eine Person da ordentlich reingekommen ist?“


M.D. Caroline Diekmann:Man sagt, dass sowas so 4 bis 6 Wochen dauert. Auch bei den Achtsamkeitsübungen/ Mindfulness weiß man, dass eine Routine nach ca. 6 Wochen entsteht. Viele Mindfulness-Programme, auch online, sind auf diese 6 Wochen ausgerichtet.


I: „Würden Sie sagen, dass Mindful Business als Prävention gegen einen Burnout „angewendet“ werden kann?“


M.D. Caroline Diekmann: „Unbedingt. Da ist meine Antwort sehr klar. Das ist die Grundlage dafür. Ich meine, die Voraussetzung für einen Burnout ist tatsächlich die Arbeit und in den meisten Fällen das Arbeitsumfeld. Meiner Annahme nach ist Mindful Business eine Bedingung dafür, Burnout zu vermeiden oder zu reduzieren.“


I:Haben Sie Tipps für Unternehmer bzw. Arbeitgeber, die Mindful Business in ihren Firmen etablieren wollen?


M.D. Caroline Diekmann:Ja, also nochmal kurz zu den Vorteilen für Arbeitgeber: man weiß, dass die Fehlerquote und die Ausfalltage sinken, man weiß aber auch, dass die Freundlichkeit steigt, also dass die Kundenzufriedenheit aufgrund offenerer und umgänglicherer Mitarbeiter steigt. Also, was kann man machen? Schulungen. Zunächst mal insbesondere an die Führungskräfte gerichtet. Achte ich als Chef darauf, dass Pausen eingehalten werden? Dass Zimmer in denen Dinge stattfinden, angenehm eingerichtet sind? Gibt es Gelegenheiten, die ein Miteinander erlauben und eine offene Fehler- und
Kritik Kommunikation?“


I:Wie kann man als Arbeitgeber reagieren, wenn Angestellte dem Thema Achtsamkeit gegenüber skeptisch sind?


M.D. Caroline Diekmann:Mit einer Offenheit und einer Aufnahme dieser Zweifel. Zu sagen: Ja, das verstehe ich. Tatsächlich einfach die positiven Aspekte für den einzelnen an die Person heranzutragen. Und dann ganz kleine Schritte machen. Was immer wichtig ist, wenn man das „von oben“ implementieren möchte, ist, dass die Führungskräfte das mit Überzeugung machen.


I: „Jetzt würde mich interessieren, ob es noch etwas gibt, das Sie gerne noch erwähnen möchten?“


M.D. Caroline Diekmann:Zwei Dinge. Erstens: Es geht nicht nur darum, dass man noch effektiver, kreativer und besser arbeiten kann. Achtsamkeit beeinflusst wirklich das gesamte Leben. Schlaf z.B. hat ja wahnsinnig viele Vorteile, wenn er gut ist und genauso viele Nachteile, wenn er nicht gut ist und beeinflusst auch die physische Gesundheit. Sich darum zu kümmern ist auch ein Teil der Achtsamkeit des Mindful Business. Es gibt ganz viele kleine Online
Module und Seminare, die das fördern können, die teilweise auch kostenlos sind. Da gibt es ein recht großes Angebot. Diese Information in der Arbeit zu verteilen und vielleicht auch mal eine Stunde der Arbeitszeit dafür zu investieren, ist hilfreich. Und als zweites möchte ich noch kurz auf die Matrix der mentalen Effektivität
aufmerksam machen. Ich finde, das kann alles recht abstrakt sein und die macht das ganze etwas greifbarer und zugänglicher. So kann man für sich rausfinden, was einen zu „achtsam“ bringt. Konzentriert sagt vielen etwas und offenes Gewahrsam, also Offenheit sagt auch vielen was. Dort Mindful angesiedelt zu sehen und auf der gegenüberliegenden Seite Autopilot, gestresst und unachtsam macht schon vieles klarer.“